… und warum ich es oft vergesse.
Wann verzwirnt ihr? Direkt nach dem Spinnen oder lasst ihr das Garn noch eine Weile auf der Spule bevor ihr es verzwirnt? Ich nehme mir meistens vor, erst etwas später zu verzwirnen und manchmal klappt das sogar.
Direkt nach dem Spinnen zu Verzwirnen erscheint ja im ersten Moment logisch. Es ist schließlich der finale Schritt der Garnherstellung, sofern man keine Singles möchte. Allerdings kann man sich einiges an Arbeit und Ärger ersparen, wenn man das Garn noch ein wenig auf der Spule oder Spindel lässt und erst später verzwirnt. Der Grund dafür ist eigentlich recht einfach. Frisch gesponnenes Garn besitzt noch sehr viel Drall. Sofern man die einzelnen Fäden nicht extrem kurz hält, verzwirnen sie sich mit sich selbst. Und da man das Garn recht schnell auf die Spule laufen lässt, kann es passieren, dass man diese kleinen „Kringelschwänzchen“ eben mit verzwirnt. Sie dann wieder raus zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Auch Stellen mit zu viel Drall können problematisch sein, da sie oft sehr hart sind.
Um das zu vermeiden, bietet es sich, wie schon erwähnt, an, das Garn einfach etwas auf der Spule oder Spindel zu belassen. Hierbei tritt ein Effekt auf, der unter Spinnern als „schlafender Drall“ bezeichnet wird. Ich finde den Begriff ziemlich bescheuert und er drückt nicht im entferntesten aus, was eigentlich passiert. Um das zu erklären, müssen wir einige Aspekte genauer betrachten.
Erstens was ist eigentlich das Spinnen. Beim Spinnen werden die einzelnen Fasern miteinander verdreht und ergeben einen Faden. Beim Verdrehen der Fasern wirkt Kraft auf diese und das Einwirken einer Kraft führt zu einer Energieänderung. Wer sich jetzt noch an den 1. Hauptsatz der Thermodynamik erinnert, weiß, dass Energie nicht verschwindet oder entsteht, sondern nur umgewandelt werden kann, z. B. in Wärme.
Zweitens ist die Frage, was Fasern eigentlich sind. Fasern sind Makromoleküle, die wiederum aus einzelnen Molekülen und diese aus Atomen bestehen. Zwischen Atomen bestehen Wechselwirkungen: elektrostatische Wechselwirkungen, Wasserstoffbrücken, van-der-Waals-Bindungen und hydrophober Effekt. Manche dieser Wechselwirkungen sind stärker, andere schwächer. Sie bewirken aber alle, dass die Fasermoleküle die Form und Eigenschaften haben, die sie haben. Ich möchte da irgendwann genauer im Faserlexikon darauf eingehen. Interessant sind vor allem die schwächeren Bindungen. Besonders interessant sind dabei die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Sauerstoff und Wasserstoff bzw. Stickstoff und Wasserstoff.
Wirkt nun dauerhaft Kraft auf die Faser, eben indem der Faden auf der Spule verbleibt, werden die schwachen Bindungen gelöst und an anderer Stelle neu geknüpft. Der Drall ist so quasi in der Faser gespeichert. Dadurch hat verzwirntes Garn erst einmal mehr Drall. Wird das Garn nun in das Entspannungsbad gegeben, passiert wieder das Gleiche und man hat schließlich ein ausgeglichenes Garn.
Abschließend bleibt nur die Frage, warum ich es oft vergesse, das Garn ein wenig ruhen zu lassen. Ganz einfach, ich möchte oft Projekte schnell beenden und/oder Spulen schnell freibekommen. Beim Zwirnen ärgere ich mich dann regelmäßig, dass ich nicht gewartet habe.