Brexit – Alles wird anders

Seid ehrlich. Wer hat, nachdem klar war, dass der Brexit kommen würde, keine Hamsterkäufe in britischen Online-Shops getätigt? Niemand wusste, was sich ändern würde. Und natürlich kam, was kommen musste, das absolute Chaos. Jetzt, über ein halbes Jahr später, war ich mal so mutig und hab mich vom Summer Sale bei World of Wool hinreißen lassen und bestellt.

Bevor ich was zu meinen Erfahrungen schreiben möchte, gibt es hier als erstes Mal einen kleinen Überblick, was der Unterschied zwischen Bestellungen innerhalb der EU und außerhalb ist und was es zu beachten gibt. Etwa in Hinblick auf Zoll und Einfuhrumsatzsteuer. Ganz wichtig vorweg: Dies ist keine Rechtsberatung! 

Wer innerhalb der EU etwas online bestellt, hats ziemlich bequem. Einfach alles in den Warenkorb packen, bezahlen, warten und das Paket glücklich in Empfang nehmen. Keine Zollgebühren, keine Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), nur die teils recht hohen Versandgebühren können das Shoppingerlebnis trüben. Die Umsatzsteuer müssen wir allerdings trotzdem bezahlen und zwar in dem Land, in dem wir bestellen. Der·die Händler·in muss dazu in Deutschland registriert sein und erhebt dann auf die Waren den hier üblichen Steuersatz. Die Zollgebühren fallen wegen der europäischen Zollunion.

Bei Bestellungen außerhalb der EU ist alles etwas komplizierter. Das fängt schon damit an, dass nicht so einfach alle Waren eingeführt werden dürfen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass Päckchen und Pakete mit potenziell verbotenem Inhalt auch innerhalb der EU kontrolliert werden können!

Kritisch können konkret etwa elektronische Geräte wie eSpinner sein. Diese müssen eine CE-Zertifizierung besitzen. Bei Spindeln und Pflanzenfarben kann das Washingtoner Artenschutzübereinkommen greifen, wenn es sich um geschützte Pflanzen und Holzarten handelt. Inwiefern die Einfuhr von getrockneten Pflanzen geregelt ist, kann ich nicht sagen. Frische Pflanzen sind aber aus Pflanzenschutzgründen tendenziell eher kritisch.

Was uns Spinner·innen aber wohl am meisten interessiert sind die Fasern. Pflanzenfasern stellen kein Problem dar, da die Pflanzen in jedem Fall verarbeitet sind, bevor ihre Fasern spinnbar sind. Auch synthetische Fasern sind kein Problem. Anders sieht es mit tierischen Fasern aus. Diese muss intensiv gereinigt, am besten noch gebleicht und gefärbt sein, damit sie eingeführt werden darf. D. h. konkret:

  • Rohwolle – vergesst es lieber ganz schnell wieder
  • grob gewaschene Wolle, eventuell noch mit Wollfett (wenn Schaf) bzw. mit Pflanzenresten oder irgendwelchen anderen leichten Verschmutzungen – ähm, nein
  • komplette Seidenkokons – haha, der war gut, sowas von nein
  • Seidenkokons, bei denen der Inhalt entfernt wurde – ja
  • Seidenkammzüge, -hankies, -caps – ja
  • Wollkammzüge gereinigt – ja
  • Wollkammzüge gewaschen, gebleicht, gefärbt – viel Spaß beim Shoppen

Alle Angaben sind ohne Gewähr! Wer sich nicht sicher ist, fragt am besten direkt beim Zoll nach.  Nicht erwähnen muss ich wohl, dass es sehr teuer werden kann, wenn man gegen die Bestimmungen verstößt und man in diesen Fällen auch nicht seine Ware bekommt.

Bei Bestellungen außerhalb der EU muss man noch mit zusätzlichen Kosten rechnen – Einfuhrumsatzsteuer und Zollgebühren. Seit dem 01.07.2021 gibt es die Freigrenze von 22 € für die Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr. Das heißt konkret, dass in jedem Fall die Einfuhrumsatzsteuer erhoben wird. Dies sind nach normalen Steuersatz 19 % und nach vermindertem Steuersatz 7 %. Liegt der Betrag unter 1 €, muss dieser nicht bezahlt werden. Abgewickelt wird das über die Beförderer (Deutsche Post und Co.) und die wollen natürlich auch was für diesen „Service“ haben. Deswegen kommen noch 5 € Servicepauschale (die Post ist diesbezüglich anderer Meinung – siehe unten) oben drauf.

Zollgebühren fallen erst ab einem Sendungswert von 150 € an. Das umfasst den Warenwert UND das Porto. Nicht, dass sich da jemand wundert, weil er für 149 € eingekauft hat und trotzdem Zollgebühren bezahlen soll, weil die Sendung mit zusätzlich 5 € Porto über dem Freibetrag liegt. Berechnet wird der zu bezahlende Betrag nach einem festgelegten Zollsatz. Man kann sich da einlesen, was das ist, wie sich das zusammensetzt und so. Wer mag, kann das tun, so sehr hat mich das Thema aber noch nicht interessiert, dass ich Lust dazu hätte.

Falls in eure Spinnfaserlieferung noch das ein oder andere Parfüm, alkoholische Getränk oder Tabakware (hab zwar noch keinen Shop gesehen, der das anbietet, aber man weiß ja nie) wandert, dann fallen noch Verbrauchsteuern an.

Voraussetzung, dass das alles problemlos funktioniert, ist die korrekt ausgefüllte Zollerklärung durch den·die Händler·in. Gibt es da Problem, müsst ihr zum für euch zuständigen Zollamt. Das ist zwar nicht weiter tragisch, verzögert aber den Zeitpunkt, in dem ihr glücklich eure lang ersehnte Lieferung in den Händen halten könnt. Geht eure Lieferung ans Zollamt, bekommt ihr Post von der Deutschen Post. Da steht drin, wo ihr euer Päckchen/Paket abholen könnt und dass es 14 Tage verwahrt wird, bevor es zurückgeschickt wird. Ich empfehle, die Sendung schnellstmöglich abzuholen, da ab dem 10. Tag Lagergebühren erhoben werden.

Wichtig ist, dass Ihr alle wichtigen Unterlagen dabei habt. Also am besten Originalrechnung aus dem Shop, in der Warenwert und Porto angegeben sind. Paypal-Rechnung oder Zahlungsbeleg reichen nicht. Die Zollbeamten, mit denen ich in Frankfurt zu tun hatte, waren immer sehr nett. Es kann vorkommen, dass man seine Sendung auspacken soll. Das ist vom Zollamt und den Zollbeamten abhängig. Vor Ort wird der Sendungswert in € umgerechnet und anhand dessen die Abgaben berechnet. Alles brav bezahlen und man darf mit seiner Sendung wieder gehen.

Zum Abschluss gibts jetzt noch ein paar Links:

Bevor ich jetzt komplett mit dem Thema durch bin, möchte ich noch darauf hinweisen, dass all das auch bei der Einreise aus dem Ausland gilt. Egal ob ihr per Flugzeug, Schiff, Zug, Auto, Fahrrad oder zu Fuß in die EU einreist, ihr müsst Waren, die ihr mitbringt, verzollen bzw. euch bei der Einfuhr an die geltenden Gesetze halten. Man sollte nicht davon ausgehen, dass man außerhalb der EU hemmungslos shoppen kann, weil man eh nicht kontrolliert wird. Passiert es doch, ist man nämlich selbst der·die Dumme.

Nun bin ich aber wirklich damit durch und hoffe, ich konnte euch ein klein wenig Überblick verschaffen.

Kommen wir zum eigentlichen Thema – der Bestellung bei World of Wool. Wie eingangs schon erwähnt, hatte ich Summer Sale genutzt, um zu testen, wie jetzt die Bestellung aus Großbritannien läuft. Gerade nach dem Hard Brexit herrschte ja extremes Chaos. Sendungen kamen nicht an. Die Gebühren waren z. T. sehr hoch. Einfach, weil diesbezüglich absolut nichts geregelt war. Zu dieser Zeit hatte World of Wool auch den Versand in die EU ausgesetzt. Vor einigen Wochen kam dann die Meldung, dass der Versand wieder möglich ist, wenn auch eingeschränkt.

Da man bei WoW immer was findet und ich das Überraschungsgeschenk, das man ab 50 £ bekam, mitnehmen wollte, habe ich also munter meinen Warenkorb vollgepackt. Mehr als den Preis hätte ich auch für die Testbestellung nicht ausgeben wollen. Nachdem ich alles hatte, was ich wollte, zeigte sich bei der Auswahl des Versands das erste Problem: „We do not ship to this destination.“ Ähm ja, toll. Aber da stand doch … Also den Warenkorb leeren und dann Stück für Stück wieder befüllen und testen, was nicht geht. Letztlich musste alles draußen bleiben, dass nicht den oben genannten Kriterien entspricht.

Das wäre alles nicht so ärgerlich, wenn es nicht ein Leichtes wäre, die Artikel für Kunden aus der EU zu deaktivieren, damit sie gar nicht erst bestellen können. Das geht über das sogenannte Geotargeting bei jeder Shopsoftware und auch bei Shopify, worauf der WoW-Shop beruht. Selbst eine einfache Markierung, dass der Artikel nicht in die EU verschickt wird, würde helfen. Und ja, das ist Arbeit. Aber der Brexit kam nicht übermäßig überraschend und liegt jetzt auch schon fast ein dreiviertel Jahr zurück.

Nachdem man es dann endlich geschafft hat, den Warenkorb erfolgreich mit Dingen zu befüllen, die auch in die EU versendet werden, verlief die restliche Bestellung wie gehabt problemlos. Danach hieß es erst mal geduldig warten. Die Sendungsverfolgung war mal wieder nicht vorhanden. Aber man kann nicht alles haben. Irgendwann klingelte dann der Postbote, das Paket bekam ich aber trotzdem nicht. Grund ist, dass die Zusteller kein Bargeld annehmen dürfen. Wegen Corona. Bleibt dann allerdings die Frage, warum die Zusteller im Jahr 2021 noch immer kein Kartenlesegerät haben. Wäre ja schon praktischer. Aber egal. Also am nächsten Tag zur Filiale gefahren. Die Abwicklung war unkompliziert und mit insgesamt 13,91 €, waren die zusätzlichen Kosten relativ überschaubar. Von dem Betrag waren 7,91 € Einfuhrabgaben und, wie ihr selbst ausrechnen könnt, 6 € Servicepauschale und nicht 5 €. Eine Erklärung gibt es von der Post nicht. Hätte ich auch nicht anders erwartet. Interessant fand ich noch den Hinweis, dass ich den Kassenzettel 1 Jahr aufheben soll, falls noch Forderungen kommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Etwa, dass die Post nicht alle eingenommenen Gebühren weiterleitet … Aber ich hab nichts gesagt. Der Zettel wird noch eingescannt und dann an den Lieferschein geheftet und damit ist alles prima.

Und was war drin im Päckchen?

Ein bisschen Melone, etwas Smog, Humbug Corriedale, rote Seide und Stricken Andes Top. Das Geschenk waren Nadeln, mit denen gestrickte Sachen zum Bügeln am Bügelbrett fixieren kann. Durchaus praktisch.

Tüten mit Kammzügen
Viele schöne Fasern

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