Herdennachwuchs Trageleicht

Spinnräder sind Herdentiere. Das ist eine Tatsache, die in der Spinngemeinde allgemein bekannt ist. Meine Herde, bestehend aus meinem Anfängerrad – dem Bliss von Woolmakers – und meinem Wunschrad – dem Interlude von Kromski (Update: mittlerweile ebenfalls verkauft) – hat sich vor kurzem um eine Reisespinnrad vergrößert – dem Trageleicht von Jürgen Schönwolff. Nachdem ich die ersten Bilder gesehen habe, war ich direkt schockverliebt und da ich ohnehin nach einem Reisespinnrad gesucht habe, war die Entscheidung für dieses kleine Schmuckstück schnell gefallen. Ich möchte euch hier einen „kleinen“ Überblick geben.

Das Rad ist ein Bockspinnrad mit Doppeltritt, wiegt in der Grundausstattung ca. 4,6 kg, besteht aus Buche, wurde mit Hartwachsöl behandelt und kommt mit 3 Spulen. Es ist spulengebremst, der Flügel hat zwei Schiebeösen und der Standardwirtel hat eine Übersetzung von 1:6,6. Der Preis in dieser Ausstattung beträgt 408 € inkl. MwSt. Optionales Zubehör sind eine Lazy Kate für 24 € und eine Transportbox für 111 €. Soweit die Eckdaten. Einige Fragen blieben noch, die aber sehr schnell über das Kontaktformular geklärt wurden. So ist eine Anfertigung weiterer Wirtel bis zu einer Übersetzung von 1:21,33 für 15,53 € (zzgl. MwSt.) möglich. Statt dem Standardeinzug am Flügel kann man auch einen U-Bügel bestellen, was für Art Yarn recht praktisch sein dürfte.

Lazy Kate und Wirtel für das Trageleicht
Lazy Kate und Wirtel für das Trageleicht

Letztlich entschied ich mich für das Standardrad plus Lazy Kate und vier zusätzlichen Wirteln mit den Übersetzungen 1:8,5, 1:12, 1:16 und 1:21,3. Die Fertigungszeit wurde mit ca. 8 Wochen angegeben, was sich aufgrund der Sonderwünsche auf ca. 12 Wochen ausdehnte. Ist an sich nicht tragisch gewesen, nur eine Info zwischendurch wäre ganz nett gewesen.

Zwar kann man sich das Rad sich schicken lassen, aber ich fand es gar nicht so doof, es abzuholen. So konnte uns Herr Schönwolff noch den Auf- und Abbau erklären und einige Tipps geben. Das lohnt sich schon, wenn man bedenkt, dass der Abbau des Trageleicht im Vergleich zu anderen Reisespinnrädern durchaus aufwändiger ist. Dafür ist es dann auch mit 40 cm x 27 cm x 43 cm (B x H x T) sagenhaft kompakt. Aber auch im aufgebauten Zustand ist es mit 40 cm x ~ 74 cm x 40 cm (B x H x T, die Höhe variiert ein wenig je nach Wirtel) recht zierlich.

Soweit zur Theorie, aber eigentlich will ja eh nur jeder wissen, wie es sich spinnt. Kurz zusammengefasst: super und schön leise. Da ich aber auch anders kann, kommt hier jetzt die lange Fassung.

Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass das Rad schon zusammen gebaut ist, die Spule auf der Spindel steckt und man einfach los spinnen will. Da wäre also als erstes der Anspinnfaden. Der lässt sich ganz bequem in die Kerbe im Spulenzylinder stecken. Etwas was ich schon bei meinem Bliss zu schätzen gelernt habe. Weiter durch die Öse am Flügel, diese wird fürs Spinnen nach links geklappt, um den Metallhaken und durch das Einzugsloch. Zum Metallhaken muss ich sagen, dass der schon gerne etwas größer hätte ausfallen dürfen. Ich persönlich werde ohnehin eher dünne Garne mit dem Rad spinnen und er dient nur als Führung, aber bei machen Garnen, besonders Art Yarn, dürfte es etwas schwierig werden. Wer einen Größeren benötigt, sollte sich nicht scheuen, wegen einer entsprechenden Änderung nachzufragen. Das Einzugsloch ist mit 1 cm Durchmesser angenehm groß. Eine Einfädelhilfe ist deshalb nicht zwingend notwendig.

Nun kanns aber mit dem Spinnen losgehen. Die Tritte sind am Anfang aufgrund ihrer Bauweise vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber man gewöhnt sich eben dran (wie an alles, wenn man sich nur genug Zeit lässt; aber das ist wieder ein anderes Thema). Nur wenn man länger spinnt, kann es etwas unangenehm werden. Für den Fall werde ich mir noch irgendeine Lösung überlegen, aber bisher war der Bedarf nicht so groß. Die Bremse ist am Anfang etwas ruppig, wie es bei Kunststoffbremsschnüren wohl häufiger der Fall ist. Das kenne ich aber auch schon vom Bliss. Hier sollte man sich einfach etwas Zeit zur Feinjustierung nehmen. Ansonsten ist auch das etwas, woran man sich gewöhnt.

Aufgrund des frei schwebenden Flügels und der schon erwähnten filigranen Bauweise wackelt das Rad beim Spinnen. Das hat was mit Physik zu tun (was ich hier nicht genauer erklären will) und ist ein Punkt, den man bei dieser Bauweise nicht verhindern kann. Ich persönlich finde es nicht störend. Man kann es jedoch durchaus ein wenig durch die eigene Spinnweise und Pflege des Rades beeinflussen.

Die Öse am Flügel lässt sich stufenlos verschieben und, je nachdem ob man spinnt oder zwirnt, nach rechts oder links klappen. Zwar braucht man nur eine Öse, die Zweite dient hier aber als Gegengewicht (ihr wisst schon: Physik). Mit der Standardversion ist es nicht möglich, bis zum hinteren Teil der Spule zu kommen und diese komplett zu füllen. Man kann das Garn dann hinter schieben oder einfach nach hinten rutschen lassen. Wen das stört, der kann auch hier bzgl. einer alternativen Lösung anfragen.

Auf die Spule passen je nach Dicke unverzwirnt ca. 100-150 g drauf. Unverzwirnt deshalb, weil ich bisher ein Maximum von 134 g auf dem Trageleicht gesponnen habe und durchaus noch einiges an Platz auf der Spule hatte. Beim Navajo-Zwirnen des Garnes wurde es aber schon reichlich knapp. Da tendiere ich dann persönlich eher dazu, entweder weniger zu spinnen, um auf dem Rad verzwirnen zu können, oder auf dem Interlude mit dem Jumbo-Flügel zu verzwirnen. Ist halt immer die Frage, welche Möglichkeiten man persönlich hat. Größere Spulen wird es für das Trageleicht wohl eher nicht geben, da dann das Wackeln gar nicht mehr in den Griff zu kriegen ist.

Man hat also jetzt munter vor sich hin gesponnen und plötzlich ist die Spule voll. Also löst man die Schraube am Flügel und zieht diesen ab. Danach kann man die Spule wechseln. Nachdem die neue Spule drauf ist, wieder die Filzscheibe auf die Spindel schieben und den Flügel drauf. Dabei 1-2 mm Platz zwischen Spule und Flügel lassen. Beim Festschrauben des Flügels darauf achten, dass die Schraube auf der flachen Einkerbung an der Spindel aufliegt. Und schon kann es weiter gehen.

Es kann sein, dass jetzt die Bremse schleift. Da die Scheiben der Spulen aus Sperrholz (oder Multiplex, was aber auch nur eine Variante von Sperrholz ist) hergestellt sind und für die Einkerbung einfach eine Furnierlage entfernt wurde, sind diese nicht an allen Spulen gleich.

Justierung der Bremse
Justierung der Bremse und Wirtelwechsel

Um das Schleifen abzustellen, ist eine Feinjustierung der Bremse nötig. Dazu mit dem Inbusschlüssel an der linken Seite die Schraube lösen und die Bremsenaufhängung so verschieben, dass die Angelschnur mittig in der Einkerbung läuft. Zum Schluss Schraube wieder festdrehen.

Wenn man wie ich mehrere Wirtel hat und diese wechseln möchte, nimmt man zuerst Flügel und Spule ab. Danach löst man mit dem Inbusschlüssel die Schraube am Wirtel. Das erste Mal braucht man dafür schon einiges an Kraft, weil die Schraube echt gut angezogen ist. Keine falsche Zurückhaltung. Bevor der Inbusschlüssel bricht, gibt die Schraube nach. Später ist es leichter, außer ihr zieht die Schrauben wieder genauso gut an. Jedenfalls kann man jetzt den Wirtel abnehmen. Den neuen Wirtel wieder genauso auf die Spindel bis ganz nach hinten schieben und Schraube festdrehen. Danach Spule und Flügel wie beschrieben wieder anbauen.

Das Zwirnen brauche ich wohl nicht extra erklären. Man kann die Bremse so umhängen, dass sich die Feder auf der linken Seite befindet, muss man aber nicht. Bei den meisten Rädern macht das keinen nennenswerten Unterschied.

Die Lazy Kate kann, je nachdem wie man verzwirnen möchte und welche Vorlieben und Gewohnheiten man diesbezüglich hat, rechts oder links am Rad befestigt werden. Auf der rechten Seite kann sie weiter zur Mitte hin gehängt werden, da die Spulen hinter dem Rad liegen und diesem nicht in die Quere kommen. Dadurch hängen die Spulen schräger, was das Abwickeln erleichtert. Wer die Lazy Kate nicht hat oder möchte, kann die Spulen aber auch z. B. bequem auf einer Lazy Kate von Kromski oder Ashford (nicht getestet, aber sieht von den Bildern her passend aus) parken.

Jetzt fehlen eigentlich nur noch Auf- und Abbau und die kommen jetzt.

Für den Abbau werden zunächst Spindel mit Spinnflügel, Antriebsriemen und, falls vorhanden, die Lazy Kate entfernt. Anschließend wird die Strebe, die zur Stabilisierung des Rades dient, heraus genommen. Das macht man am besten, indem man sie von hinten herauszieht. Nun löst man die Kugelverbindungen. Am einfachsten geht das, wenn man einen Holzstab als Hebel verwendet. Den sollte man aber möglichst weit unten ansetzen, da man sich sonst leicht die Knechte verbiegt. Zum Transport sollte man die Kugeln mit etwas Folie bedecken, da diese gut gefettet sind. Nun den unteren Hebel lösen und das Rad umklappen. Zum Schluss noch die beiden Schrauben lösen und auch die Streben umklappen. Fertig.

Beim Aufbau wird zuerst der untere Teil des Gestells hochgeklappt. Dieser muss völlig senkrecht stehen. Dann wird der mittlere Teil aufgerichtet. Achtet darauf, dass Aufhängung der Knechte nicht dagegen schlägt. Nun können die Knechte wieder mit den Tritten verbunden werden. Der weiter hervorstehende Knecht wird mit dem rechten Tritt (von hinten betrachtet) verbunden. Achtet genau darauf. Ihr wollt nicht, wie ich beim Anfertigen der Fotos, die Kugelverbindungen wieder lösen müssen. Nun noch den oberen Teil des Gestells aufrichten, die Mittelstrebe wieder einbauen (auch wieder von hinten durch schieben), Spindel mit Flügel montieren. Die Bremse sollte dabei völlig senkrecht stehen. Zum Schluss noch Antriebsriemen drauf und alles ausrichten. Wirtel und Rad sollten ungefähr auf einer Senkrechten liegen, damit der Riemen nicht vom Rad hüpft. Auch sollte der Riemen nicht zu stark gespannt sein, da das Rad sonst Klackgeräusche macht. Die Spindel sollte von der Seite betrachtet waagerecht stehen.

Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass das Rad relativ wartungsarm ist. Die Kugelverbindungen an den Knechten sollten hin und wieder eingefettet werden, da sie sonst knacken. Auch die Spindel sollte gelegentlich geölt werden, damit die Spule nicht zu sehr wackelt.

Die Spulen selbst habe ich auch noch etwas nachbearbeitet, da sie mir etwas zu rau waren. Die Holzscheiben habe ich mit 240er Schleifpapier abgeschliffen und anschließend mehrere Schichten Hartwachsöl aufgetragen. Nun sind auch die schön glatt, was besonders beim Zwirnen und Abhaspeln hilfreich ist.

Ich hoffe, ich habe an alles gedacht. Wenn euch trotzdem etwas fehlt, dann hinterlasst einen Kommentar. Wenn mir noch was einfällt, wird es natürlich noch hinzugefügt. Insgesamt hoffe ich aber, dass der Beitrag euch gefällt und für den ein oder anderen eine gute Entscheidungshilfe ist.

Und bevor jetzt endgültig hier Schluss ist noch eine kleine Anekdote: Als ich die Fotos machte, kam am Baum (ihr seht ihn bei der Justierung der Bremse im Hintergrund) ein Eichhörnchen herunter geklettert, schaute mich mit großen Augen an und entschied sich dann, den Garten durch den Zaun zu verlassen. War ihm dann wohl doch zu viel Trubel.

BFL/Nylon auf Trageleicht
200 g BFL/Nylon auf Trageleicht verzwirnt

Nachtrag: Je nachdem was man spinnt, wie dünn man spinnt und wie man verzwirnt, bekommt man auch deutlich mehr auf die Spulen. Ich habe 200 g BFL/Nylon auf die Spulen gezwirnt. Allerdings waren die letzten Meter eher ein Krampf, da ich sie per Hand auf die Spule wickeln musste. Also dann doch lieber etwas weniger Garn drauf machen. 😉

Update: Das Trageleicht habe ich bereits vor einiger Zeit verkauft. Grund war, dass mir es letztlich doch zu viel Bastelei war und das Rad gerne mal einfach nur im Ruhezustand zusammen geklappt ist. Meine favorisierten Reisespinnräder sind mittlerweile das EEW Nano und die Victoria von Louet, zu denen ich auch noch was schreiben werde.

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